Franz Schubert (1797-1828)
Unter den grossen Meistern der Musik die in Wien lebten und schufen, war Franz Schubert als einziger auch ein Kind dieser Stadt. Er wuchs im eher ärmlichen Quartier des Alsergrundes auf und war
Zeit seines Lebens dieser Stadt verbunden. Niemals hat er die Grenzen der Habsburgischen Monarchie überschritten, deren geistiges und politisches Zentrum Wien war. Die äussere Enge und
Beschränkung seines Lebensrahmens erklärt Schuberts inniges Verhältnis zu dieser seiner Heimat, ihrer Landschaft und Kultur. Die Mentalität der österreichischen Menschen war ihm vertraut; sie war
zugleich – bei aller Steigerung und Sublimierung, die sie in seinem Werke erfuhr – die seine. Im Jahre 1814 – Schubert war damals siebzehn Jahre alt – tagte unter der geistigen Führung des
österreichischen Kanzlers Fürst Metternich der Wiener Kongress, der zum Symbol der Restauration geworden ist.
Drei Jahres später fassten Beauftragte Deutschlands und Oesterreichs auf Betreiben Metternichs in Karlsbad die berüchtigten Beschlüsse, mit denen in beiden Ländern eine überaus scharfe Zensur und
strenge Aufsicht über die Universitäten als Brutstätten revolutionärer und freiheitlicher Gedanken eingeführt wurden. So legte sich nun der dunkle Schatten eines nur durch die Kraft der Bajonette
aufrechterhaltenen Polizeiregimes über diese Länder, das jeden Bürger argwöhnisch beobachtete und überall Verdächtige und Demagogen witterte. Nirgends war diese Bedrückung so spürbar wie in Wien,
dem Zentrum der Restauration.
Franz Schubert ist der grösste und typischste Repräsentant dieser in sich unerhört zwiespältigen Restaurationsepoche, deren ganze Problematik und Härte sich in seinem Werk mit erschütternder
Grösse spiegelt. Keiner der herrschenden künstlerischen „Strömungen“ ist seine Musik eindeutig zuzuordnen, weil in ihr der grandiose Versuch unternommen wurde, die klassische Tradition, die an
die Namen Haydn, Mozart und Beethoven geknüpft ist, der deprimierenden Wirklichkeit zum Trotz weiterzuführen und den veränderten Bedingungen gemäss zu wandeln.
Im Januar 1821 fand in der Wohnung des Dichters Franz von Schober die erste, dokumentarisch belegte Veranstaltung mit der Aufführung Schubert’scher Werke sowie Dichterlesungen statt, die man im
engeren Sinne als „Schubertiade“ bezeichnen kann. Diese Zusammenkünfte von Künstlern, Musikern, Dichtern und Malern waren eine Art Gegenwelt, ein Rückzug vor der rauhen Wirklichkeit und eine
Flucht in die Vergangenheit. Zugleich boten diese Abende Gelegenheit, neueste Werke von Schubert vorzustellen. Zum engen und auserlesenen Freundeskreis der Schubertiaden zählte auch Franz Lachner
der sechs Jahre jünger als Franz Schubert war, ihn aber um 68 Jahre überlebte.